Fit für die DMO 2.0? Was Chefs an Kompetenzen und Eigenschaften mitbringen müssen
Manager müssen heutzutage die Fähigkeit besitzen, zu kommunizieren und zu begeistern - also die Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmensumfeldes mitzunehmen. Simpel und doch so schwer im operativen Alltag umzusetzen, umfasst der Begriff "Führung" nicht nur die Tätigkeiten des Steuerns auf strategischer, prozessualer, finanzieller und personaler Ebene in einem Unternehmen.
Vor dem Hintergrund einer DMO 2.0 macht es Sinn, "Führung" um die Dimension Leadership zu erweitern.
"Business as usual" war gestern - heute heißt es "Change as usual". Die Akzeptanz also, dass Veränderungsmanagement zu den Kernkompetenzen gehört wie z.B. Marketing und ein Verständnis für kaufmännische Zusammenhänge.
Die Extrameile zur Leadership ist die Fähigkeit, strategische und unternehmerische Veränderungsprozesse nachhaltig und konsequent durchzusteuern, sowie à la longue eine Kulturveränderung hin zu einer Lernenden Organisation zu bewirken. Darunter versteht man eine Kultur, die aus sich selbst heraus die nötige Flexibilität und Agilität besitzt, um kontinuierlich auf die sich in der digitalen Welt sehr rasch verändernden Umwelten reagieren zu können. Dafür müssen die Spitzenkräfte in den DMOs das nötige Quantum Voraus- und Weitsicht, Vorstellungsvermögen und brennenden Willen mitbringen.
Wenn Du weißt, was Du willst, weißt Du, was Du tun musst
Alles eine Frage der individuellen Einstellung und Haltung zu Führung und damit ein Teil der Persönlichkeit? Eindeutig, ja. Kann man sich in Richtung Leadership entwickeln? Auch das - vorausgesetzt man sieht Führung als einen Austausch mit den Mitarbeitern, der Politik und den Kunden auf Augenhöhe. Statusdenken, Wissen für sich behalten und es als Machtinstrument für die eigene Agenda nutzen, haben in dieser Definition von Führung bzw. Leadership nichts zu suchen.
Was bedeutet dies nun im angewandten Fall eines DMO-Geschäftsführers oder Kurdirektors? In der Regel ist die Rolle äußerst komplex. Er/sie hat es mit vier Zielgruppen zu tun:
- Politiker, Parteien und Administration auf kommunaler und regionaler Ebene,
- den "Fremden", die bereits Gäste sind oder es werden sollen,
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
- und den Bürgern (eine Teilmenge davon sind die Leistungsträger).
Die Interessen dieser Anspruchsgruppen sind zum Teil sehr widersprüchlich. Die Bürger empfinden gegen Saison-Ende, aber häufig leider nicht nur dann, eine Überfremdung - entsprechend freundlich und entgegenkommend reagieren sie. Die Vertreter von Politik und Administration interessieren sich in erster Linie für ihre eigenen Belange: die einen für ihre Wiederwahl, die anderen für die bürokratischen Regularien. Die Mitarbeiter, die dafür arbeiten, den Tourismus mit allerlei Marketingaktionen zum Wohle der Gemeinschaft aller Bürger in ihrer Destination zu fördern, möchten sowohl die technischen, finanziellen und personellen Ressourcen für ihren Erfolg zur Verfügung haben und brauchen in der Web 2.0 Welt große Freiheitsgrade. Und die Gäste? Sie unterscheiden nicht zwischen den partikularen Interessen. Sie wollen schlicht einen angenehmen Urlaub verbringen.
Top-Down ist Vergangenheit
Für einen DMO-Chef ist der Spagat zwischen diesen Gegensätzen allein schon eine Herkulesaufgabe, die Standvermögen, diplomatisches Geschick, Entscheidungs- und Durchsetzungskraft erfordert. Nun kommt auch noch die digitale Revolution hinzu, die alles Eingeübte auf den Kopf stellt. Führen in Top-Down-Manier nach dem Motto Brücke an Maschinenraum: Schadensbericht!!! geht nicht mehr. Die Transformation durch die Social Media ist in vollem Gange. Laut Forrester-Studie aus 2011 erkennen 78 Prozent der Oberen Führungskräfte (Senior Executives) deren Bedeutung für den zukünftigen Geschäftserfolg, bei 27 Prozent rangiert das Thema auf der Liste der strategischen Top-Themen.
Auf dem Weg zur DMO 2.0 braucht es neue Organisationsstrukturen wie ein Center of Competence und vor allem neue Führungsfähigkeiten.
Netzwerke und fluide Strukturen wollen anders geführt werden als traditionelle, mit direktem Zugriff auf die Beteiligten, [...] um Steuerung und Einfluss bei abnehmender hierarchischer Macht und schwindender physischer Präsenz zu verwirklichen. [Cap Gemini: Change Management Studie 2012]
Um das Potenzial der für den Geschäftserfolg einer touristischen Destination unverzichtbaren sozialen Medien voll ausschöpfen zu können und die hohen Investitionskosten vor dem Steuerzahler zu rechtfertigen, muss der DMO-Geschäftsführer / Kurdirektor folgende Leadership-Verhaltensweisen verinnerlichen:
- ein stets offenes Ohr. Er ist aktiver Ansprechpartner bei Fragen, Sorgen, Ängsten, Kümmernissen.
- zweifelsfreie Authentizität und Glaubwürdigkeit. Er adressiert aktiv aufkommende Zweifel am Veränderungsprozess und geht mit Kritik und Einwänden konstruktiv um.
- ausgeprägte Trittfestigkeit im Treibsand der Unsicherheiten, Widersprüchen und Hindernissen, die sich ihm in den Weg stellen.
- Durchsetzungskraft (nicht mit Brachialgewalt zu verwechseln) beim beim Einfordern von absoluter Verbindlichkeit und Transparenz im Kontext eines vereinbarten Regelwerks. Will heißen: für alle Akteure ist er Vorbild und Anwalt von Werten, an die sich die o.g. Zielgruppen halten.
Chef 2.0 ist mehr als ein Non-Stop-Facebooker
Ein "Chef 2.0" ist im "change-as-usual-Prozess" vielmehr der Richtungs- und Orientierungsgeber par excellence. Auf seiner persönlichen Leadership-Landkarte müssen also stehen:
- Vorbild sein und Sinn stiften für alle Betroffenen und Beteiligten an der digitalen Revolution, die sich in die Richtung eines radikalen Transformationsprozesses beschleunigt.
- Stark sein in der 1:1 Kommunikation, denn alle Vernetzung über digitale Tools ersetzt in Zeiten des Wandels nicht die Vertrauensbildung zu den Menschen. A fool with a tool is still a fool!
- Die Auswirkung der eigenen Einstellung zum Transformationsprozess immer wieder reflektieren, um die eigene Achtsamkeit zu befördern und rechtzeitig auf Stimmungen bei den Betroffenen reagieren zu können. Nur wenn ich meine eigenen Emotionen und Motive kenne, handle ich nicht als Getriebener, sondern als Treiber.
- Orientierung und Umsetzung gibt es nur bei Entscheidungsklarheit. Zaudern, zögern, sich verstecken, anderen die Verantwortung für Fehler zuzuweisen, sind menschlich aber kontraproduktiv und eine Gefahr für den Transformationsprozess in Richtung DMO 2.0.
- Die Schwester der Entscheidungsklarheit ist die Überzeugungsarbeit. Der/die TrägerIn der Transformationsfahne muss jeden Web 2.0-, Web 1.0 und Web 0.0-Kanal unermüdlich ausschöpfen, um den Nutzen des Wandels zu verbreiten und dabei die Einwände und Widerstände gleichberechtigt gelten zu lassen. Emotionen, Wut, Ängste, Querschläge werden auf dieser Reise seine/ihre ständigen Begleiter sein.
Dieser "Anforderungskatalog" liest sich wie die Beschreibung eines Übermenschen. So absolut und in Reinkultur gibt es ihn Gottlob nicht. Dem oder der Chefin auf dem Weg zur "Transformationalen Führung" (Begriff aus der Management-Lehre) kann und sollte geholfen werden.
Über den Autor
Asma Semler
Auf Grund ihrer Branchenerfahrung hat Asma Semler sozusagen Touristik im Blut. Als Business Coach mit Schwerpunkt in der Beratung von Change-Prozessen, die tief in die Organisationsstruktur und -kultur einer Firma eingreifen, begleitet sie Unternehmen in umfangreichen Beratungsprojekten, die einen ganzheitlichen Ansatz erfordern. Mit dieser Herangehensweise gewinnen alle Mitarbeiter und Führungskräfte Klarheit und Orientierung im Change-Prozess.
