VOM KONTAKT- ZUM BERÜHRUNGSPUNKT: DIE CUSTOMER JOURNEY 2.0

von Stefan Möhler am 07. März 2013

Unser diesjähriger Vortrag auf der ITB stand ganz im Zeichen eines vertrauten Begriffes: Customer Journey. Schon lange wird damit die Reise des Gastes durch alle Phasen - von der ersten Entscheidung zur Buchung über das Erlebnis bis hin zur Weitergabe zusammengefasst. Diese Beschreibung lässt uns jedoch mehr und mehr unzufrieden zurück: was bringt letztlich das Wissen um die "Stages of Travel“? Woraus ergeben sich Ansatzpunkte zur Verbesserung von... ja, von was eigentlich?

Die Zeit erschien uns reif, die Customer Journey, wie wir sie aktuell kennen, auf den Prüfstand zu stellen: Wem nützen eigentlich die vielen produzierten Schaubilder? Entstehen aus der Visualisierung von Touchpoints auch Handlungsempfehlungen? Haben wir die Customer Journey wirklich schon zu Ende gedacht? Gemeinsam mit einigen unserer Werkpartner hatten wir im vergangenen Dezember Historie, Status quo und Perspektive von vorhandenen Customer Journey-Modellen untersucht und konkrete Ansatzpunkte zur Verwendung im Arbeitsalltag eines Tourismusmanagers erarbeitet. Diese Ideenskizzen durften wir gestern einem sehr interessierten Publikum im eTravel Lab der ITB Berlin präsentieren:

Aktueller Diskussionsstand

"Historisch betrachtet“ schon lange vor Google & Co. als Phasen-Schema des Reisens benannt - wurde der Begriff seit 2008 letztlich bei den Onlinern im Bereich des Performance Marketings in die Breite getragen. Die Optimierung von Kaufprozessen im Internet stand hier an erster Stelle.

Auch heute geht es in der Regel noch fast ausschließlich darum, die vor einem getätigten Kauf gemessenen Kontaktpunkte mit Werbemitteln ("Sichtkontakte“ und "Klickkontakte“) möglichst gerecht auf die jeweiligen Werbetreibenden zu verteilen.

Anders bei uns im Tourismus. Wir wissen sehr genau, dass der eigentlich interessante - und auch größte - Teil der Customer Journey im Erlebnis- und in der Nachbereitung zu finden ist. Das Web 0.0 hat also den maßgeblichen und auch erfolgskritischsten Anteil am Gesamterlebnis unseres Gastes.

Weitergedacht: 3-Phasen-Touchpoints

Doch: Was ist mit den "Touchpoints" an sich? Gibt es hier nicht Detaillierungsbedarf?

Touchpoints sollten aus unserer Sicht in drei Ebenen unterteilt werden:

  • Kontaktpunkte (die bloße Wahrnehmung - mit der Marke, den Produkten)
  • Kontrollpunkte (tatsächlicher Sicht- bzw. Klickkontakt begleitet von der Möglichkeit einer Handlungsaufforderung)
  • Berührungspunkte (emotionale Begeisterung, berühren im wahrsten Sinn des Wortes)

Zur Visualisierung einer neu gegliederten Customer Journey möchten wir Google's Five Stages of Travel als Grundgerüst verwenden. Diese eignen sich gut als "Rubriken", also ersten Ordnungsbegriffen oder Phasen, denen dann 9 Touchpoints untergeordnet werden:

  • Inspiration
  • Information
  • Selektion
  • Validierung
  • Buchung
  • Vorfreude
  • Erlebnis
  • Nachbereitung
  • Weitergabe

Touchpoint: mehr als nur ein starrer Punkt

Darüber hinaus können Touchpoints nicht länger als starre Punkte betrachtet werden, sondern vielmehr als Trichter. Der Kunde muss in dem Zustand, in dem er sich befindet "eingefangen“ werden, um dann das jeweilige Erlebnis in Richtung Berührungspunkt zu "verdichten“. Also vom Status eines sachlichen Kontaktpunktes über einen eher mechanischen Kontrollpunkt zum hoch emotionalen Berührungspunkt.

Um dieses Ergebnis zu erzielen, ist ein zentraler Faktor von Bedeutung: Service. Und zwar exzellenter, genau auf den individuellen Kunden und seine Bedürfnisse zugeschnittener Service! Unter Einbeziehung des Service Design Prozesses können

  • die entsprechenden Phasen der Touchpoints
  • somit der gesamte Touchpoint
  • und damit auch die Customer Journey als Ganzes

servicegerecht gestaltet werden. Der Service Design Prozess ist also ein Layer, der als Spiegel unter der Customer Journey liegt und granular jeden einzelnen Touchpoint mitgestaltet.

Jeder Touchpoint an sich ist ein Prozess und das Ziel sollte sein, aus allen Einzelheiten ein Gesamterlebnis zu (er)schaffen - und dieses mit echten Berührungspunkten unter ständiger Einbindung des Service-Elements. Ziel muss es sein, von der reinen Customer Journey zum Customer Experience Design zu kommen!

Eine immer wiederkehrende Herausforderung

Die Customer Journey ist also nicht als trendiges Buzzword abzutun, sondern als Herausforderung zu verstehen, die Zukunft aktiv zu durchdenken und mitzugestalten. Dabei bleibt zu beachten, dass nur ein einziges negatives Ereignis an einem Touchpoint das Kundenerlebnis "ruinieren" kann. Der Ansatz ist also, Messpunkte zu identifizieren, Beziehungen (im klassischen Sinn) aufzubauen und zu halten sowie SOPs (Standard Operating Procedures) zu entwickeln "Customer Journey“ ist also weit davon entfernt ein Buzzwort zu sein...

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