VERTRIEB IM ÖFFENTLICHEN TOURISMUS.

19 Januar 2012

HRS kauft hotel.de und kooperiert mit Amadeus. Google’s Hotelfinder stellt die Branche vor neue Herausforderungen.

Newcomer wie gidsy, 9flats oder airbnb drängen mit neuen Geschäftsmodellen auf den Markt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Vertrieb stellt sich für touristische Destinationen die Frage danach, ob man noch eigene Informations- und Reservierungssysteme (IRS) benötigt, oder ob es andere (sinnvollere) Handlungsalternativen gibt. Die angemessene Beantwortung der Frage “IRS ja oder nein” ist dabei sehr "komplex und sollte nicht auf einfache Faustformeln reduziert werden. Tatsache ist, dass viele Destinationen zwar (immer noch) Reservierungssysteme einsetzen, diese jedoch nicht mit der notwendigen Konsequenz den aktuellen Marktentwicklungen anpassen.

Basisvorraussetzungen für den Eigenbetrieb von IRS

Zunächst spielt die Positionierung der DMO als Spezialist für die eigene Destination eine zentrale Rolle. Dies erfordert eine klare Nischenpositionierung sowie die Herausarbeitung der eigenen Alleinstellungsmerkmale – z.B. Spezialist vor Ort mit Insider-Know-how und besonderen, marktrelevanten Produkten.

Voraussetzung hierfür ist eine konsequente Qualitätsstrategie mit dem Mut dazu, die von der Tourismuspolitik häufig eingeforderten Prinzipien “Gleichbehandlung” und “Gießkannenprinzip” fallen zu lassen und diese durch Marktmechanismen wie Partnerqualifizierung und Vertriebssteuerung zu ersetzen.

Der Qualität der angebotenen Unterkünfte (u.a. Einsatz eines Bewertungssytems) sowie der Qualität der Darstellung der Betriebe (hochwertiger Content: Beschreibungstexte, audiovisuelle Medien etc.) kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Vertriebssteuerung bedeutet in diesem Zusammenhang auch die Konsequenz, Betriebe mit:

  • hoher Produkt-/Service-Qualität
  • guter Bewertung
  • gast-orientiertem Content
  • besonderen Produkten
  • durchgängiger Online-Buchbarkeit

ganz oben in der Trefferliste anzuzeigen. Basis hierfür sind selbstverständlich transparente Kriterien, anhand derer der Partnerstatus der Betriebe definiert wird. Die Zeiten von Trefferlisten mit Anbieterausgabe nach “rollierendem Zufallsprinzip” gehören der Vergangenheit an.


Professionalisierung und Emotionalisierung des Buchungsprozesses

Die von den etablierten IRS-Anbietern angebotenen Internet Booking Engines (IBE) sind häufig nur sehr eingeschränkt in der Lage, den sich dynamisch entwickelnden Marktanforderungen angemessen zu begegnen. Dies betrifft insbesondere die Aspekte Sichtbarkeit in Google, als wichtigstem Touchpoint innerhalb der Customer Journey, sowie die erforderliche Professionalisierung und Emotionalisierung des Buchungsprozesses.

Für eine erfolgreiche Indexierung der Unterkunftsbetriebe in Google, ist die redundante Abbildung der Beherbergungsdaten im Content Management System (CMS) durch Datenübernahme aus dem IRS und regelmäßige Synchronisierung über entsprechende Schnittstellen unverzichtbar. Dies ermöglicht auch die Anreicherung der Daten durch wichtige Elemente wie Social Plugins, Meta-Bewertungen (z.B. TrustYou) sowie Bewegtbilder im richtigen Kontext. Zudem können Basisanforderungen wie “Pretty URLs” auf diese Weise realisiert werden. Chancen liegen hierbei vor allem im Long Tail, da Google Places Schlagwortkombinationen wie “Ferienhaus + Ort” mittlerweile weitgehend uninteressant macht.

Die bestehenden Standard-IBE sind aufgrund der klassischen Integrationsmethoden (Lightbox, Include etc.) sowie der Gestaltungsvorgaben in der Regel nur mit Einschränkungen in den Workflow sowie das Look & Feel der touristischen Websites einzupassen. Hier haben die etablierten IRS-Anbieter jedoch reagiert und bieten mittlerweile XML-basierte Webservices an, auf deren Basis Destinationen eigenständige Buchungsstrecken im CMS abbilden können. Möglichkeiten dabei sind:

Vollintegration: Abbildung der gesamten Buchungsstrecke bis hin zum Buchungsabschluss im CMS (siehe hamburg-tourismus.de und oberstaufen.de ). Stellt das Optimum dar, ist jedoch konzeptionell und monetär anspruchsvoll.
Teilintegration: Integration der Buchungsstrecke bis zum Warenkorb mit anschließender Verlinkung zur Standard-IBE des IRS-Anbieters. Entwickelt sich zunehmend zu einer Standardanforderung und ist mittlerweile zu überschaubaren Kosten realisierbar – insofern diese Anforderungen bereits in der Relaunch-Konzeption berücksichtigt wird. Wie gelungen so etwas aussehen kann, sieht man am Beispiel von Bad Hindelang.


Stärkung des Eigenvertriebs

Die Anbindung starker Vertriebspartner im Rahmen des Multichannel-Vertriebs (z.B. Casamundo, BestFewo, HolidayInsider, e-domizil etc.) sollte mittlerweile als Standard angesehen werden. Häufig wird dabei jedoch die Stärkung des “lokalen” Eigenvertriebs vergessen. Hierbei können sogenannte Local Affiliates eine wichtige Rolle spielen. Jede Destination verfügt über geeignete Partner mit gut frequentierten Websites, auf denen die DMO ihre Buchungsfunktionen einbinden können. Dies betrifft sowohl die eigenen Unterkunftsbetriebe (Pauschalen, Tickets etc.) als auch touristische oder wirtschaftliche “Leuchttürme” mit Vertriebsrelevanz (Messen, Events, Kultureinrichtungen, Brauereien etc.). Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Einbindung der Affiliate-IBE der Hamburg Tourismus GmbH auf der Website des Miniaturwunderlandes.


Zusammenfassung

Die wichtigsten Aspekte aus diesem Beitrag im Überblick:

  1. Klare Positionierung der DMO als Spezialist für die eigene Destination mit deutlicher Kommunikation der Alleinstellungsmerkmale
  2. Konsequente Qualitätsstrategie mit hochwertigem Content, aktiver Partnerqualifizierung und gezielter Vertriebssteuerung (im Kontext!)
  3. Optimierung der Sichtbarkeit der Leistungsträger in Google durch CMS-basierte Indexierung aller relevanten Unterkunftsstammdaten und Integration von Social Plugins
  4. Professionalisierung und Emotionalisierung des Buchungsprozesses durch Realisierung eigener Buchungsstrecken auf Basis von Webservices
  5. Stärkung des lokalen Eigenvertriebes durch Local Affiliates in Ergänzung zum Anschluss starker Vertriebspartner (Multichannel-Vertrieb)

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