ZWISCHEN TRÄGHEIT UND REGULIERUNGSDILEMMA

22. November 2012

Das Web 2.0 und das Social Web haben die Bedeutung des Internets für den Tourismus auf eine neue Evolutionsebene gehoben. Hierauf muss auch seitens der Politik reagiert werden, um gerade im öffentlichen Tourismus der Digitalisierung nicht länger nur hinterher zu rennen.

Der Deutsche Bundestag hat im Ausschuss für Tourismus kürzlich ein Expertengespräch durchgeführt, bei dem ich als Sachverständiger geladen wurde. Unsere Stellungnahme (aus DMO-Sicht) auf die Fragestellung "Wie die Digitalisierung die touristische Wirtschaft verändert" möchten wir gerne als "Onepager" zur Verfügung stellen:

DIE SITUATION

Das Social Web hat das Kommunikations- und Buchungsverhalten grundlegend verändert. Die Tourismuswirtschaft steht vor dem Hintergrund der digitalen Evolution vor völlig neuen Herausforderungen:

  • die Anzahl der produzierten Daten (Web 2.0) wächst stetig
  • das mobile Internet macht Kommunikation und Information jederzeit verfügbar
  • hoher Vernetzungsgrad, ein hohes Maß an Spontanaktivität und kreisende Erregungen im Netzwerk sind die Kerneigenschaften dieser neuen Kommunikation
  • politisch-geographisch gesetzte Grenzen touristischer Marken, die bisher mit Steuermitteln aufrecht erhalten wurden, verschwinden zusehends (z.B. gibt es allein in Schleswig-Holstein 5 Dachverbände)
  • Ansprüche und Erwartungshaltung der Gäste werden immer dynamischer und komplexer
  • die Privatwirtschaft hat die öffentliche Tourismuswirtschaft bereits überholt; DMOs verlieren die Hoheit in einst sicheren Domänen (z.B. Einkünfte aus Vertriebsaktivitäten)

WAS SONST NOCH WICHTIG IST

Neben diesem Dilemma wurden in Berlin auch die Themen Verbraucherschutz sowie im speziellen Soziale Netzwerke und Buchungsplattformen diskutiert – mit allem, was dazu gehört: Man muss den Verbraucher viel mehr schützen, tendenziell wartet hinter jeder Website-Ecke ein Mafiosi und überhaupt ist weder den Anbietern zu trauen, noch anderen Usern, wenn diese falsche Bewertungen schreiben... Wissen Sie, was die Hauptherausforderung für die Tourismuspolitik ist?

Dass wir uns weder nachfrage- noch verhaltensorientiert an die Aufgaben der Gesetzgebung heranmachen, sondern stets versuchen alles zu regulieren und vor allem Verbote aussprechen.

Im heutigen, globalen Wettbewerb müssen wir aufhören, ein Kirchturmdenken an den Tag zu legen, als gäbe es kein Internet außerhalb des eigenen Landes. Die Politik hat Bewertungssysteme nicht zu beeinflussen, dafür gibt es die Intelligenz der Masse und vor allem Technik. Wir brauchen auch keine "staatliche Buchungsplattform" in Zeiten sich verkürzender Wertschöpfungsstufen. Und vor allem brauchen wir keine Unsummen an Förderungen, die in Vergangenheitsprojekte und Maßnahmen gesteckt werden, die sich null am Markt orientieren.

Geld ist nicht die alleinige Lösung, um die Trägheit unserer Branche zu beflügeln. Was wir brauchen ist innovationsgetriebene Unterstützung für kundenorientierte Prozesse – egal ob im Web oder offline. Unterstützung in Form von KnowHow, agiler Administration und dann erst Kapital. Hinterfragen wir also erstmal, warum wir etwas tun – und dann erst "was" und "wie". Nur so lässt sich das Dilemma zwischen der Geschwindigkeit der Digitalisierung und der Geschwindigkeit der Tourismuswirtschaft angehen.


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